Viele von uns sind im Urlaub, was sehr wohltuend ist. Dennoch können wir nicht unbeschwert sein: Laut der UNO gibt es derzeit weltweit 56 aktive Konflikte, die höchste Anzahl seit dem Zweiten Weltkrieg. Wir sind uns natürlich der Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen sehr bewusst, aber wenn nur bestimmte Konflikte erwähnt werden, empfinden Menschen aus anderen Kriegsgebieten dies als Ungerechtigkeit (dieser Vorwurf wurde mir schon mehrfach gemacht).
Ist es unter diesen Umständen unrealistisch, von der Freude des Evangeliums und der Erlösung der Welt zu sprechen? Wäre es nicht realistischer, unseren Beitrag zu den als realistisch und gerechtfertigt empfundenen Kreisläufen der Gewalt zu leisten?
Nun, die Frohe Botschaft ist wirklich ein Schlüssel zur Veränderung. In einem Konflikt erinnert man sich an die Worte Jesu: „Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Kinder eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.“ (Matthäus 5,44-45) Gott kennt uns besser als wir uns selbst: Wären es denn falsch, wenn wir diejenigen lieben, die er liebt?
Ich erinnere mich an Bemerkungen zum Realismus, die der spätere Kardinal Journet während des Zweiten Weltkriegs veröffentlichte: „Le ‘réalisme’ de la vérité vaut bien celui du mensonge ; le ‘réalisme’ de la justice vaut bien celui de la force ; le ‘réalisme’ de l’Évangile vaut bien celui de Machiavel ”1. Und er erklärt diesen Verweis auf Machiavelli: „L’erreur de Machiavel n’est pas, selon nous, d’avoir vu les hommes tels qu’ils sont ; elle est d’avoir consenti intérieurement à la fatalité des passions, d’avoir invité les hommes non à les vaincre, mais à les servir avec le maximum d’intelligence, et à jouer de celles des autres pour établir les leurs“2.
Der wahre Realismus ist letztendlich der des menschgewordenen Sohnes Gottes, der sein Leben sogar für seine Feinde hingegeben hat.
1 Charles Journet, Exigences chrétiennes en politique, éditions Saint-Augustin, Saint-Maurice, 1990, S. 10.
2 Ibid., S. 134.